Schreibstrategien
Wenn Schüler in der Grundschule schreiben, ist dies - wie bei erwachsenen Schreibern natürlich auch - ein hochkomplexer Prozess, an dem viele Teilprozesse und Teilkompetenzen beteiligt sind. Erfahrene Schreiber können die beteiligten Prozesse (im besten Fall) gezielt steuern und kommen am Ende des Schreibprozesses zu einem Produkt, das sowohl unseren individuellen, als auch globalen Schreibzielen entspricht. Erfahrene Schreiber haben zur Bewältigung des Schreibprozesses Schreibstrategien erworben, die als gezielt aktivierte, mentale Aktivitäten dabei helfen, die einzelnen Einflussfaktoren und Teilkompetenzen miteinander zu vernetzen. Schreibstrategien spielen somit eine elementare Rolle, wenn ich einen guten Text erstellen möchte. Nebenstehender Grafik ist zu entnehmen, dass sich der Schreibprozesses als Ganzes aus den Teilprozessen Planen, Verschriften und Revidieren zusammensetzt. Folglich lassen sich Schreibstrategien grob klassifizieren in solche, die während der Planung aktiviert werden und solche, die bei der Revision eine Rolle spielen. Maik Philip stellt in seinem Werk "Selbstreguliertes Schreiben" insgesamt 22 Bündel von Schreibstrategien vor, die sich jedoch entweder sehr stark ähneln, oder erst in höheren Klassenstufe eine Rolle spielen und daher für die Grundschule wenig geeignet erscheinen. Exemplarisch soll hier das Strategienbündel 7W vorgestellt werden, um daran Begrifflichkeiten und Vorgehensweisen zu erklären. Diese Strategien lassen sich auch sehr gut für den Grundschulunterricht nutzen. Für eine umfassende Darstellung der Strategien empfiehlt sich die Lektüre des oben genannten Buchs.
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7W
Bei der Sammlung von Schreibstrategien mit dem auf den ersten Blick seltsam anmutenden Namen 7w handelt es sich um Strategien zum Verfassen von erzählenden Texten. Mit den 7W ist nichts anderes gemeint als sieben W-Fragen, die der Schreiber bei der Planung, dem Verschriften und der Revision berücksichtigt:
Wer ist die Hauptfigur, wer sind Nebenfiguren? Wann findet die Geschichte statt? Wo findet die Geschichte statt? Was will die Hauptfigur machen? Was passiert, wenn die Hauptfigur dies macht? Wie endet die Geschichte? Wie fühlt sich die Hauptfigur? In einigen Teilen deckt sich dieses Strategienbündel mit dem Geschichtenplaner, den ich bereits in meinem Blog vorgestellt habe. Die Klärung der 7W-Fragen mag trivial erscheinen. Dennoch findet sich in der deutschsprachigen Aufsatzliteratur hierzu vergleichsweise wenig Material. Hier entstehen Geschichten in der Hauptsache noch dadurch, dass es eine Einleitung, einen Hauptteil (mit Höhepunkt) und einen Schluss gibt. Was in diesen Teilen genau passiert und worauf die Geschichte eigentlich hinaus will, wird oftmals nicht thematisiert. Die Kinder schreiben dann ein Stück weit ins blaue hinein. Die genannten 7W-Fragen spielen in allen drei Teilprozessen eine Rolle: beim Planen können sich die Lernenden zu allen Fragen kurze Notizen machen. So entsteht eine grobe Struktur der Geschichte, die im folgenden Prozess, dem Verschriften, als Geländer dienen kann. In der Revisionsphase kann dann überprüft werden, ob der vorliegende Text alle Fragen zur Genüge beantwortet und wo ggf. noch nachgearbeitet werden muss. Für die unterrichtliche Anbahnung der Strategien empfiehlt Maik Philip das sogenannte "self-regulated-strategy-development", kurz SRSD.
SRSD
"Self-Regulated Strategy Development“ (SRSD) hat die explizite Vermittlung von Schreibstrategien zum Ziel und wurde in zahlreichen Untersuchungen als effektivster Schreibförderansatz ermittelt (Phillip 2014, S. 79ff.) Die durch SRSD erzielten Effekte beziehen sich sowohl auf die gesteigerte Umsetzung genretypischer Elemente, also auch auf Textqualität und –quantität. Die Umsetzung des Förderansatzes SRSD umfasst 6 Vermittlungsphasen: Phase 1 und 2: Vermittlung von Hintergrundwissen und Diskutieren In der ersten Phase des Trainings werden einzelne Strategien bzw. ein komplettes Strategienbündel vorgestellt und diskutiert. Phase 3: Modellieren In der folgenden Vermittlungsphase erstellt die Lehrkraft im Plenum ein eigenes Textprodukt auf Basis der eingeführten Strategien. Hierbei können auch weitere Schreibstrategien, wie z.B. die Verwendung einer Planungshilfe, zum Tragen kommen. Wichtig in dieser Phase ist, dass die Lehrkraft möglichst viele kognitive Prozesse verbalisiert, um den Kindern den Schreibprozess möglichst anschaulich darzustellen. Um die Lernenden in dieser Phase besser einzubinden und auf die Aufgabenstellung zu fokussieren, kann das Plenum in diesem Prozess bereits eigene Formulierungsvorschläge einbringen. Phase 4: Memorieren In der nun folgenden Phase, dem Memorieren, geht es darum, dass die Lernenden die Handlungsschritte möglichst gut verinnerlichen. Dies kann z.B. durch entsprechende Aushänge und Plakate erreicht werden, aber auch durch kurze Quiz-Einheiten zu Beginn einer Unterrichtsstunde. Phase 5: Unterstützen Die letzten beiden Phasen der Strategievermittlung sind dem Üben gewidmet. Zunächst erhalten die Lernenden hierbei noch Unterstützung im Rahmen eines angeleiteten Übens. Die Unterstützung kann hierbei entweder durch die Lehrkraft oder aber auch durch Mitlernende im Rahmen von kooperativen Arbeitsformen erfolgen. Ebenso kann sich die Unterstützung auf alle 3 Phasen des Schreibprozesses beziehen. Hierbei sollten insbesondere Formen des Feedbacks integriert sein, welches dann auch Anlass zu Revisionsprozessen darstellen kann. Phase 6: Unabhängiges Üben Durch fortschreitende Reduktion der Unterstützungsleistungen und Hilfsmittel sollen die Lernenden zum selbstständigen und selbstregulierten Schreiben bezogen auf die thematisierte Textsorte geführt werden. Bezogen auf das skizzierte Modell des Schreibprozesses unterstützt bzw. entlastet SRSD das Schreiben der Lernenden in mehreren Bereichen: durch die gemeinsame Vereinbarung von Strategien wird Textsortenwissen aufgebaut und Schreibziele verdeutlicht. Zudem bilden die Kriterien eine wichtige Unterstützung beim Planungsprozess. Über das Modellieren des Schreibprozesses durch die Lehrkraft erhalten die Lernenden Einblick in Aufgabenschemata.
Fazit
Die Anbahnung konkreter Schreibstrategien im Deutschunterricht der Grundschule ist aus meiner Sicht elementar wichtig. Lernende dürfen mit der Erstellung der Texte nicht alleine gelassen werden. Die Vermittlung derartiger Strategien mittels SRSD ist ein Ansatz, der sich vieler Elemente der direkten Instruktion bedient. Der hohe Anteil vermeintlich frontalen Unterrichts mag auf den ersten Blick abschrecken. Allerdings konnte in zahlreichen Studien belegt werden, dass ein derartiges Vorgehen in hohem Maße lernwirksam ist und dabei hilft, Schreibkompetenz bei den Lernenden aufzubauen. Schreibkompetenz, die dann in geöffneten Unterrichtsphasen genutzt werden kann.
Literatur
- Baurmann, Jürgen (2014). Prozessorientierung und Methoden des Schreibunterrichts. In: Feilke, Helmuth/Pohl, Thorsten (HRSG), Deutschunterricht in Theorie und Praxis 4. Schriftlicher Sprachgebrauch, Texte Verfassen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
- Philipp, Maik (2013). Lese- und Schreibunterricht. Tübingen/Basel: A. Francke. Philipp, Maik (2014). Selbstreguliertes Schreiben. Schreibstrategien erfolgreich vermitteln. Weinheim/Basel: Beltz.
- Philipp, Maik (2015). Grundlagen der effektiven Schreibdidaktik und der systematischen schulischen Schreibförderung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
- Pohl, Thorsten (2014). Entwicklung der Schreibkompetenz. In: Feilke, Helmuth/Pohl, Thorsten (HRSG), Deutschunterricht in Theorie und Praxis 4. Schriftlicher Sprachgebrauch, Texte Verfassen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
- Wrobel, Arne (2014). Schreibprozess und Schreibkompetenz. In: Feilke, Helmuth/Pohl, Thorsten (HRSG), Deutschunterricht in Theorie und Praxis 4. Schriftlicher Sprachgebrauch, Texte Verfassen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.